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16. Januar 2007: Rosa-Luxemburg-Gesprächskreis Sülz/Klettenberg: Diskussionsveranstaltung
16. Januar 2007: Gibt es eine gerechte Lösung für den Palästina-Konflikt?
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Gibt es eine gerechte Lösung für den Palästina-Konflikt?
Rosa-Luxemburg-Gesprächskreis Sülz/Klettenberg
Treffen im Salon & Galerie Freiraum,
Gottesweg 116a (Ecke Unkeler Straße), 50939 Köln
Dienstag, 16. Januar 2007, 19.30 Uhr:
Gibt es eine gerechte Lösung für den Palästina-Konflikt?
Nahezu 60 Jahre nach dem Beschluss der UNO über die Teilung Palästinas sind die beiden dort lebenden Völker vom Frieden weiter entfernt als je. Welcher Weg könnte zur Bildung eines souveränen palästinensichen Staates Palästina in den Grenzen vom 4. Juni 1967, zur Anerkennung des Existenzrechts Israels durch diesen Staat und zur Herstellung friedlicher, gutnachbarlicher Beziehungen zwischen allen Staaten der Region führen?
Gibt es eine Chance für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit in den palästinensichen Autonomiegebieten unter Beteiligung von Hamas und Fatah? Was soll aus dem Mauerbau auf palästinensichem Gebiet werden? Wie steht es um das israelische Atompotential und die deutschen Waffenexporte nach Israel? Wie ordnet sich die Palästina-Problematik in den USA-Plan für einen "Neuen Mittleren Osten" ein? Und welche Rolle kann das Nahost-Quartett, bestehend aus der UNO, der EU, den USA und Rußland, spielen? Gibt es eine besondere deutsche Verantwortung für die Lösung des Palästinaproblems und kann da die EU-Ratspräsidentschaft der Bundesrepublik im angebrochenen Halbjahr hilfreich sein? Über diese und andere Fragen soll mit kompetenten Fachleuten gesprochen werden.
Referent: Mohammed Afonneh, Vorsitzender der Palästinensichen Gemeinde Köln
Moderation: Dr. Peter Bathke, Politologe und Orientalist, Kölner Friedensforum
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5. Dezember 2006: "MachsomWatch - Israelische Frauen an den Kontrollposten der
5. Dezember 2006: Besatzungsarmee im Westjordanland"; Buchvorstellung
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MachsomWatch - Israelische Frauen an den Kontrollposten der Besatzungsarmee
im Westjordanland
von Yehudith Kirstein Keshet
Buchvorstellung im studio dumont, Köln
am Dienstag, 5. Dezember 2006, 19:00 Uhr
Seit fünf Jahren beobachten die Mitglieder der israelischen
Frauenfriedensgruppe MachsomWatch das Verhalten von Soldaten und Polizei an
den Checkpoints, die ein zentrales und brisantes Element der israelischen
Besatzungspolitik sind. Darüber berichtet eine der Gründerinnen der
Organisation, die israelische Politologin Yehudith Kirstein Keshet, in ihrem
Buch "Checkpoint Watch - Testimonies from Occupied Palestine". Das Buch kam
im Februar 2006 in England heraus und wird demnächst auf Deutsch erscheinen.
Aus den im Buch zitierten Protokollen der MachsomWatch-Frauen ergibt sich
ein genaues und zumeist beklemmendes Bild vom Leben der Palästinenser unter
Militärbesatzung. Darüber hinaus bietet die Autorin eine scharfsichtige
Insider-Analyse der israelischen Gesellschaft im Lichte der
Entstehungsgeschichte des Staates und seiner vierzigjährigen
Besatzungspolitik. Diese Analyse führt zu der Frage, ob es gegenwärtig noch
Chancen für einen Frieden im Nahen Osten gibt.
Zu Lesung und Gespräch mit Yehudith Kirstein Keshet laden ein:
Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem
(Heinz-Rudolf Hönings, Tel. 0212 - 247 48 61, koeln-bethlehem@hoenings.net
Arbeitskreis Israel/Palästina e.V., Bonn
(Ulrike Vestring, Tel. 0228 - 31 22 22, ak@vestring.net
Der Eintritt ist frei - Spenden zur Deckung der Unkosten sind willkommen
Das studio dumont befindet sich im ersten Stockwerk des DuMont Carres,
Breite Straße 72.. Es liegt inmitten der Kölner City, Fußentfernung vom
Neumarkt 5 Minuten, vom Hauptbahnhof 10 Minuten.
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26. Oktober 2006: Brief von Latife Abdelaziz
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Liebe Freunde,
ich möchte mich ganz herzlich für die schönen Momente bedanken, die ihr mir in den letzten Wochen in Deutschland bereitet habt. Euer Mitgefühl, eure Solidarität, eure Herzlichkeit und eure Freundschaft haben mir in der schweren Zeit mehr geholfen als ich es in Worte fassen kann.
Ich danke euch von Herzen auch für all die vielen Aufmerksamkeiten, die ihr mir erwiesen habt.
Die Rückkehr in den Libanon war schwer und das Leben hier ist nicht leicht. Im Moment kämpfe ich darum, noch einige Unterrichtsstunden geben zu können. Da einige Schulen zerstört wurden, gibt es jetzt deutlich mehr Lehrer als Stellen.
Das Haus hat doch sehr gelitten, da es auch Wasserschäden gab, sodass viel Aufräumarbeit, Reparaturen etc. zu erledigen sind.
Ich würde mich sehr freuen, wenn der eine oder andere von euch wieder in den Libanon käme, einem Libanon, der sich dann Inschallah wieder in einem sicheren Frieden befindet.
Liebe Grüße
Latife
Dar Assalam für Interkulturelle Reisen
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Juli 2006: Das Haus des Friedens im Libanon und der Krieg
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Man war so hoffnungsvoll - Das Haus des Friedens im Libanon und der Krieg
Autorin: Martina Sabra
Said Arnaout:
Mein Name ist Said Arnaout, ich bin seit
über 30 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, ich habe hier studiert,
ich komme aus dem Libanon, und vor etwa 12 Jahren begann der Gedanke,
nach dem Bürgerkrieg im Libanon, wo einigermaßen sich die Situation
befriedet hatte: Was können wir für den Libanon tun? Eine Fördergemeinschaft
mit einigen deutschen und einigen libanesischen Freunden. Und dann haben
wir das Projekt Dar Es-Salam errichtet.
Latife Abdelaziz:
Ich bin Latife Abdelaziz, Libanesin,
Physiklehrerin, und leite eine Begegnungsstätte, diese Begegnungsstätte
heißt auf Arabisch Dar Essalam, auf Deutsch Haus des Friedens. Ich
kam nach Deutschland am 22. Juni. Ich bin hier in Urlaub, und um Kontaktpflege
zu machen mit den Freunden und Bekannten.
AUTORIN
Latife. Das letzte Mal haben wir uns
im Frühjahr 2005 gesehen. Ich war im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung
im Libanon, um eine Frauenrechtsorganisation zu beraten und nutzte die
Gelegenheit, Latife im "Haus des Friedens" zu besuchen.
Schon damals herrschte im Libanon eine
gespannte Atmosphäre. Am Platz der Märtyrer mitten in Beirut stand
noch ein Trauerzelt für Ex-Premierminister Rafiq Hariri. Er war wenige
Wochen zuvor an der Beiruter Corniche bei einem schweren Bombenattentat
getötet worden, bei dem auch 23 weitere Menschen starben. Man vermutete
Syrien als Drahtzieher. Der Schock über das ungewöhnlich brutale Attentat
hatte tagelang immer wieder hunderttausende Menschen auf die Strasse
getrieben. Friedlich, aber entschlossen forderten die meist jungen Leute
den Abzug der syrischen Armee nach fast 30 Jahren Besatzung. "Einhundert
Prozent Libanon" war der Slogan der sogenannten „Zedernrevolution“.
Auch Latife wollte, dass der Libanon endlich frei sei. Doch sie war
skeptisch. Als wir uns während einer Autofahrt durch das Schuf-Gebirge
über die Situation im Land unterhielten, beschrieb sie mir ihr Gefühl
mit einem Bild aus einem King-Kong-Film: wie die kleine Frau in der
riesigen Hand, die irgendwo zwischen Himmel und Erde zappele, ohne Boden
unter den Füßen, ohne eine Chance, selbst die Richtung zu bestimmen.
Jetzt, ein gutes Jahr später, sitzen
wir zusammen in der Küche unseres gemeinsamen Freundes Said in Tübingen
und versuchen zu begreifen, dass Israels Armee den Libanon binnen weniger
Tage in ein Trümmerfeld verwandelt hat.
Frage: Latifa, du warst eigentlich im Urlaub. Wie fühlst Du Dich jetzt?
Latife Abdelaziz:
Ich bin total schockiert, wie die meisten.
Ich kann nicht richtig denken. Ich denke, nur was kommt eine Ende, und
wie ist die Ende, uns was nach diesem Ende auch wird passieren.
AUTORIN
Als Mitte Juli wie aus heiterem Himmel
der Krieg beginnt, ist mein erster Gedanke bei meiner Familie. Mein
Mann Emad ist Palästinenser mit israelischem Pass. Alia ist fünf und
Karima 10 Jahre alt. Seit Beginn der Schulferien sind die drei bei Emads
Familie in Nordisrael zu Besuch. Schefa Amr liegt rund 15 Kilometer
östlich von Haifa.
Während wir telefonieren, höre ich
im Hintergrund die Sirenen und die Einschläge der Katjuschas. Emad
aber will noch nicht zurück. Er möchte in dieser Situation seine Familie
nicht im Stich lassen.
Schefa Amr liegt zum Glück etwas abseits
der Schusslinie der Hizbullah. Noch ist niemand hier zu Schaden gekommen.
Aber ich werde heilfroh sein, wenn Emad und die Kinder Anfang August
wieder in Deutschland sind.
Mein zweiter Gedanke gilt dem "Haus
des Friedens" in Wardaniye, einem malerischen Ort in den Bergen südlich
von Beirut, wo ich in den vergangenen Jahren oft zu Gast war und wo
ich Freundschaft mit Latife und Said geschlossen habe. Ich bin erleichtert,
als ich erfahre, dass die beiden nicht im Libanon, sondern in Deutschland
sind - Latife auf Sommer-Urlaub bei Freunden, Said zuhause in Tübingen.
Said war viele Jahre als Sozialarbeiter bei der Stadt Tübingen beschäftigt.
Jetzt arbeitet er als Arabischlehrer und Übersetzer, wenn er nicht
gerade im Nahen Osten unterwegs ist.
Said Arnaout:
Seit sechs Jahren, seit die Israelis
im Jahre 2000 aus dem Südlibanon zurückgezogen sind, gab es gewisse
Ruhe in dem Land, einen gewissen Frieden, das Land wird aufgebaut, man
hat immer nach vorne gekuckt und war man hoffnungsvoll. Dass diese Aggression,
dieser Krieg, den die Israelis führen, so lang dauern würde, damit
habe ich nicht gerechnet, nein. -
Der Libanon hatte sich ja noch gar nicht auseinandergesetzt mit den
Folgen des Bürgerkrieges, der 1990 zuende ging, was empfindest du da,
wenn du jetzt mit ansiehst, dass einerseits dieser Krieg noch gar nicht
aufgearbeitet ist, und schon das nächste Trauma kommt?
Und wieder noch mal eine nächste, und
noch mal eine nächste. Wenn man jetzt Waffenstillstand macht, kommt
wieder eine nächste. Wenn man das so rechnet, von 1978 bis heute gab
es mindestens sechs solche Invasionen: 1978, 1982, 1993, 1996, 2000
und jetzt auch. Das heißt, wenn man Waffenstillstand jetzt erreicht,
kommt wieder der nächste Angriff.
Frage: Latife, Du hast eigentlich
Deine ganze Jugend mit Krieg verbracht. Wie lange hast Du damals gebraucht,
um Dich damit auseinandersetzen zu können?
Latife Abdelaziz:
Hab ich sechs Jahre gebraucht, weil ich
hab die Idee nicht vergessen, nach dem Bürgerkrieg, denn es gab oft
Angriffe, Attentate. Weil 1993 hat die israelische Rakete auch den Süden
bombardiert, 1996 geschah das größte Massaker in Qana im Südlibanon,
mit über 110 Toten, viele Alte, Frauen und Kinder. Also, sag ich nach
sechs Jahren konnte ich anfangen mit der Idee des Krieges verdauen zu
können. Und jetzt fängt's wieder an.
AUTORIN
Tag acht des Krieges: Latifa ist blass
und hat dunkle Ringe unter den Augen. Tagsüber koordiniert sie mit
Said und dem Bürgermeister von Wardaniye per Telefon die Hilfe für
die mittlerweile fast 100 Flüchtlinge, die im „Haus des Friedens“
untergekommen sind. Nachts versucht sie, telefonisch ihre Familie im
Schuf-Gebirge zu erreichen. Es heißt, dann seien die Verbindungen besser,
aber oft dauert es bis zum frühen Morgen, bis sie durchkommt. Auch
Said wirkt sehr erschöpft. Auf dem Couchtisch im Wohnzimmer stapeln
sich die Papiere. Studienreisen stornieren, Gebühren rück überweisen
für einen Arabischkurs, der Anfang August in Wardaniye stattfinden
sollte, dazwischen unzählige Briefe und Faxe von Freunden. Worte des
Bedauerns, der Trauer, Zornesausbrüche, aber auch konkrete Hilfsangebote.
Ein Freund von Said - er ist Pfarrer
in Bad Kreuznach und war schon oft mit Gemeindemitgliedern im Libanon
- hat ein Spendenkonto eingerichtet, für libanesische Flüchtlings-Hilfsorganisationen.
Solidarität ist da: Gleich am ersten Tag werden fast dreitausend Euro
gespendet.
Said Arnaout:
Es kommt viel Betroffenheit, auch von
vielen deutschen Freunden. In den letzten zehn Jahren waren ja fast
viertausend Menschen aus Deutschland mit uns im Libanon. Sie haben das
Land kennen gelernt, und sie waren halt sehr glücklich, dass das Land
eine richtige Genesung erlebt, dass es aufgebaut wird. Und diese Menschen
muss man sie informieren.
AUTORIN
Während wir an dem großen hölzernen
Küchentisch sitzen, klingelt im Wohnzimmer immer wieder das Telefon.
Said nimmt den Hörer schon seit Tagen nicht mehr ab, weil ihm die zahllosen
Anrufe zu viel wurden. Seine Freunde hat er in einem Rundbrief gebeten,
ihn nur per Mail oder Fax zu kontaktieren. Dann ruft er von sich aus
zurück. Einige Stunden am Tag sitzt Brunhilde, eine gute Freundin am
Telefon und sortiert die wichtigen Anrufe heraus. Ansonsten hilft der
Anrufbeantworter.
Said Arnaout:
Auf dem Anrufbeantworter, das ist ein
Jesuitenpater, der hat einige Hilfe von seiner Gemeinde gesammelt, finanzielle
Hilfe, und wollte das in den Libanon überweisen. So stehen wir den
ganzen Tag vor der Frage: Wie können wir was kanalisieren? Wir haben
gestern per Telefon ein Order gegeben, dass 30 Bettdecken und Bettwäsche
aus der Begegnungsstätte zum nächsten Krankenhaus gespendet werden.
Diese kleinen Krankenhäuser hier, das ist nicht zu vergleichen mit
deutschen Krankenhäusern, es fehlt bei denen alles.
Latife Abdelaziz:
Im Dorf gibt's keinen Strom, kein Wasser,
Lebensmittel sind dreimal so teuer jetzt geworden. Die Israelis haben
die Wasserleitungen im Schufberg, die mein Ort versorgen, bombardiert.
Jetzt versucht der Bürgermeister im Dorf, das Wasser von dem Brunnen
zu pumpen. Aber ohne Strom kann er nichts machen. -
Frage: Fühlst Du Dich manchmal erinnert an die 80er Jahre? Kommen da Erinnerungen
hoch? Was geht Dir so durch den Kopf?
Latife Abdelaziz:
Ja, ich kenne das Geräusch von den Raketen,
es ist immer in meinen Ohren. 1982, als die Rakete mein Dorf bombardierte,
da war ich 15 Jahre alt, da war ich auf dem Dach. Ich war oben und hab
gezählt, und als die nahe waren, bin ich runter. Nach fünf Minuten
haben sie das Dorf bombardiert. Über 100 Tote und 220 Verletzte gab
es damals im Dorf, plus diese Zerstörung. Ich erinnere mich sehr gut.
Wenn ich hier in Deutschland ein Flugzeug höre, bin ich schnell an
der Idee, das sind die Israelis.
AUTORIN
Der Libanon: Schon in den achtziger Jahren,
als ich in Damaskus Arabisch studierte, wollte ich das Land besuchen,
das für seine landschaftliche Schönheit berühmt ist und dessen Intellektuelle
seit dem 19. Jahrhundert soviel zur modernen arabischen Kultur beigetragen
haben. Doch an Reisen dorthin war nicht zu denken. Noch herrschte Bürgerkrieg.
Schätzungsweise 150.000 Menschen starben zwischen 1975 und 1990, etwa
eine halbe Million wurden verletzt oder verkrüppelt. 15.000 gelten
heute immer noch als vermisst - bei nicht einmal vier Millionen Einwohnern.
1990 war der Krieg offiziell zuende.
Doch wirklichen Frieden gab es noch nicht: im Süden des Landes hielt
Israel weiterhin eine 20 Kilometer breite sogenannte "Sicherheitszone"
besetzt. Die vom Iran unterstützte Hizbullah schoss auf Israel, israelische
Kampfjets bombardierten immer wieder auch Ziele jenseits der Sicherheitszone,
bis Beirut und darüber hinaus. Da mir der Libanon reichlich unsicher
vorkam, wollte ich zumindest meine erste Reise nicht allein machen.
Als ich zufällig von einer Freundin
erfuhr, dass ein unabhängiger deutsch-libanesischer Verein politisch-kulturellen
Bildungsurlaub im Libanon anbot und dafür sogar ein eigenes Gästehaus
gebaut hatte, meldete ich mich sofort an. So lernte ich das Dar Es Salam
in Wardaniye kennen.
Said Arnaout:
Das Haus liegt etwa 350 Meter hoch, das
ist ein Dorf, eine ganz normale Alltagssituation in dem Dorf, und hat
man diese Begegnungsstätte dort bewusst auch bauen lassen, damit die
Fremden, die das Land bereisen wollen, nicht die Maschinerie der Hotels
und der Gastronomie, sondern das einfache Leben kennen lernen. Die Gebirgskette
hinter uns, die geht auf 1900 Meter, das ist das Baroukgebirge - das
ist wenn man östlich von den Terrassen schaut. Und wenn man westlich
schaut, dann hat man das Blick auf das Mittelmeer, einen sehr schönen
paradiesischen Blick, und eine gewisse Ruhe wenn man dort reist in dem
Land, dass man zurückkehren kann, und man fühlt sich wie zuhause.
AUTORIN
Nachdem ich mich also für eine Reise
ins "Haus des Friedens" angemeldet hatte, fuhr ich im Herbst 1998
zum ersten Mal in den Libanon. Inzwischen bin ich viele Male dort gewesen.
Aber diese erste Reise ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Vor
allem die Besuche in den Palästinenserlagern des Südlibanon. Gefragt,
woher sie stammten, nannten mir nicht nur die älteren Leute, sondern
auch die Kinder Ortsnamen, die ich aus Nordisrael kannte: Akko, Haifa,
Nazareth, Saffoure, Bar'am. Sie sprachen palästinensischen Dialekt,
und in den Behausungen hingen vergilbte Fotos ihrer Heimatdörfer, die
teilweise längst nicht mehr existierten.
Genau fünfzig Jahre lagen die Gründung
des Staates Israel und die Vertreibung der Palästinenser zurück, doch
hier im Südlibanon war mir, als sei die Zeit stehen geblieben. Mir
wurde schmerzlich bewusst, welchem Schicksal mein Schwiegervater entronnen
war. Man hatte ihn während des Krieges zusammen mit vielen anderen
jungen Männern aus Schefa Amr auf einen Lastwagen gezwungen und in
den Libanon deportiert. Während die meisten sich im Libanon ihrem Schicksal
ergaben, kehrte er unter Lebensgefahr heimlich über die Grenze in sein
Heimatdorf zurück.
Damals schon, 1948, hatte man die Menschen
in der Region gezwungen, Haus und Hof zu verlassen - andernfalls sei
ihr Leben in Gefahr. Jetzt droht die israelische Armee wieder, wirft
Flugblätter ab - über südlibanesischen Dörfern, mit der Aufforderung,
die Menschen sollten ihre Häuser verlassen, sonst würden sie bombardiert.
Gut 200.000 Menschen sind bis heute im
Libanon als Palästinaflüchtlinge registriert. Die meisten von ihnen
sind im Libanon geboren und haben Palästina nie gesehen. Sie leben
in bitterem Elend, ohne Arbeit, ohne Perspektive. Viele Libanesen haben
ein gespaltenes Verhältnis zu den Palästinensern, die ihren Teil zum
Bürgerkrieg beigetragen haben. Sie fürchten, dass die Palästinenser
erneut zu einer Destabilisierung des Libanons beitragen könnten.
Es gibt aber auch diejenigen, die für
kritische Solidarität mit den Palästinensern eintreten und versuchen,
die katastrophalen Lebensbedingungen in den Lagern zu verbessern. Einer
von ihnen ist Said.
Said setzt sich nicht nur für die Rechte
der Palästinenser ein, er engagiert sich auch für das friedliche Miteinander
der Religionsgemeinschaften im Libanon in einem weltlichen Staat. Er
selbst wurde 1951 geboren und verbrachte eine relativ friedliche Kindheit
im damals noch multikonfessionellen, multiethnischen Beirut. Für ihn
als sunnitischen Muslim war es damals kein Problem, eine christliche
Oberschule zu besuchen und die Sommerferien in einem religiös
bunt gemischten Dorf auf dem Land zu verbringen - in Wardaniye.
Said Arnaout:
Was schön an diesem Ort war, dass alle
Konfessionen, auch während des Bürgerkrieges noch friedlich gelebt
haben. Man hat sich gegenseitig geschont, man hat sich gegenseitig geschützt,
und unterstützt. Da ist kein Konfessionalismus in dem Dorf entstanden,
da leben halt sowohl Christen als Muslime verschiedener Konfessionen,
die Mehrheit sind muslimische Schiiten. Das war eine Friedensoase während
dieses 15-jährigen Kriegs, und nach dem Bürgerkrieg war sie das auch.
AUTORIN
Er habe immer davon geträumt, eine überkonfessionelle
Bildungsstätte im Libanon zu gründen, erzählt Said. Dass der Traum
in den neunziger Jahren ausgerechnet in Wardaniye Wirklichkeit wurde,
war allerdings nicht geplant, sondern eher Zufall. Eigentlich hatte
er nur seine Eltern aus dem umkämpften Beirut weg und in Sicherheit
bringen wollen.
Said Arnaout:
Meine Eltern, die waren alt, und die
konnten nicht immer von Ort zu Ort fliehen. Diese Region war teilweise
befriedet. Ich habe dort ein kleines Grundstück gekauft, und wir haben
angefangen, für meine Eltern ein Haus zu bauen. Zum Glück war dann
der Bürgerkrieg zuende, und praktisch das Haus war noch nicht fertig
gebaut. Und dann reiste ich halt mit einigen Freunden aus Deutschland,
um ihnen mein Land zu zeigen. Sind wir hin, haben wir in diesem halbfertigen
Gebäude übernachtet, also es war eine Etage. Und da wuchs diese Idee,
dass wir vielleicht dieses Haus umwandeln als Brücke von Orient zu
Okzident.
Frage: Wie habt Ihr die Menschen dazu bewegt, nach Libanon zu fahren? Das war
Anfang der 90er Jahre nicht selbstverständlich, obwohl der Krieg vorbei
war?
Said Arnaout:
Ich habe ja Sozialpädagogik studiert,
und wenn man im sozialen Bereich aktiv ist, in den siebziger und achtziger
Jahren war ein Riesenflüchtlingsstrom aus dem Libanon, dann gab es
viele Arbeitskreise und Freundeskreise, die in dem Bereich auch gearbeitet
haben. Und somit gab eine Kette von Interessierten, die auch solche
Arten von Reisen, dass man nicht nur Steine, sondern Menschen und Steine
und die Situation vor Ort anschauen will.
AUTORIN
Das war 1994. Noch war das Haus nur ein
Rohbau. Für Reisegruppen musste es wenigstens bescheiden hergerichtet
werden. Mit Hilfe eines evangelischen Pfarrerehepaars und mehrerer Freunde
gelang es Said, eine kleine Fördergemeinschaft auf die Beine zu stellen.
Elf Freunde des Hauses stellten je zehntausend - damals - Mark als Kredit
zur Verfügung. Genug für ein einfaches, aber schmuckes Anwesen, das
fortan bis zu 48 Gäste aufnehmen konnte.
Frage: Wie ist denn das Dorf Wardaniye
damit umgegangen? Ihr habt da etwas ganz Ungewöhnliches und ganz Neues
geschaffen. Das muss ja für die Leute erst mal fremd sein, zumindest
ein bisschen verdächtig, dass sie sich fragen, was machen diese ganzen
Europäer da, und das in einem winzigen kleinen Dorf - wie haben die
Leute reagiert? -
Said Arnaout:
Die Dorfbewohner waren erstaunt, dass
zu ihnen Europäer kommen. Und die Politiker waren sprachlos, weil die
oft nicht mal wissen, wo Wardaniye liegt. Und dann kommt eine Deutsche
und wohnt in Wardaniye und erklärt dem Minister oder dem parlamentarischen
Abgeordneten, wo Wardaniye liegt. Das ist einfach so, die Libanesen
haben 15 Jahre Bürgerkrieg, sie haben das Bild eines Fremden, eines
Touristen fast völlig vergessen.
AUTORIN
Auch für Latife war der Umgang mit den
Gästen aus Europa gewöhnungsbedürftig.
Zwar sprach sie neben ihrer Muttersprache
Arabisch fließend Englisch und Französisch, und sie hat am Goethe-Institut
und durch die jahrelange Arbeit mit Gästen sehr gut Deutsch gelernt.
Doch trotz ihrer beeindruckenden Sprachkenntnisse - über die Welt draußen
wusste Latife wenig. Als 1975 der Bürgerkrieg ausbrach, war Latife
gerade acht Jahre alt.
Latife Abdelaziz:
Ich hab eine schlechte Idee von den Europäern
gehabt, durch Medien, durch diese schlechte Information, als Araberin,
ja die Europäer laufen nur auf der Strasse mit kurzen Hosen oder küssen
sich, egal wo, aber das ist total anders. Aber war mir auch nicht einfach
direkt mit einem Europäer zu sein und zu unterhalten. Und dann habe
ich gesehen, das ist ganz anders. Ich habe viel gelernt.
AUTORIN
Latife stammt aus Ketr Maye, einem Nachbarort
von Wardaniye. Ihr Vater besaß vor dem Bürgerkrieg ein florierendes
Geschäft für Körperflegeartikel und eine Stadtwohnung in Beirut.
Die Söhne und Töchter besuchten gute Schulen. Während des Krieges
verlor die Familie alles. Doch trotz Kriegstrauma und dem schmerzvollen
sozialen Abstieg schaffte Latife ihr Abitur und studierte Physik in
Beirut. Heute unterrichtet sie vormittags Physik und Mathematik an einem
Gymnasium. Die Bezahlung ist allerdings zu mager, als dass sie davon
leben könnte, und sie ist wie viele Lehrer an Libanons staatlichen
Schulen auf Stundenbasis beschäftigt. Deshalb ist der Job im Begegnungszentrum
für sie wichtig.
Dass sie zwei, manchmal drei Jobs gleichzeitig
schafft und sich sogar Urlaub leisten kann, liegt unter anderem daran,
dass sie nicht verheiratet ist. Wie viele junge Libanesinnen der Nachkriegsgeneration
hat Latife sich gegen Ehe und Familie entschieden.
Sie wohnt zwar bei ihrer Mutter, ist
aber persönlich und ökonomisch unabhängig. Ihre älteren Brüder
wollten das zunächst nicht akzeptieren. Sie sollte nicht allein im
deutsch-libanesischen Gästehaus arbeiten, und sie sollte auch nicht
allein nach Deutschland reisen.
Latife Abdelaziz:
Das war am Anfang ein Kampf. Ich bin
in einem Dorf aufgewachsen, ich hab in Beirut studiert und auch dort
gearbeitet, aber als ein Frau aus dem Dorf wo die Traditionen die Sitten
sind so stark und manchmal eng, mir war nicht einfach.
Meine Eltern waren am Anfang total dagegen,
jeden Tag mit der Mutter oder mit den Brüdern. Aber es war meine Überzeugung,
ich wollte ich das.
AUTORIN
Latife hat sich durchgesetzt - immerhin
verdanken zwei ihrer Brüder dem Projekt einen Job und damit ein lebenswichtiges
zusätzliches Einkommen für die Familie. Insgesamt sieben volle Stellen
sind inzwischen rund um das Begegnungszentrum entstanden - damit trägt
das "Haus des Friedens" dazu bei, Wardaniye zu entwickeln und die
Menschen auf dem Land zu halten.
Latife Abdelaziz:
Das Haus unterstützt regelmäßig fünf
Familien. Sie arbeiten von Tag zu Tag. Auch die Läden im Dorf. Sie
teilen auch mit uns das Projekt. Wir kaufen alles, was wir brauchen
für die Gruppen vom Dorf ein. Das ist eine indirekte Hilfe für die
Dorfbewohner natürlich.
AUTORIN
Seit mehr als zehn Jahren gibt es das
Dar Es Salam im Libanon. In dieser Zeit ist es gewachsen. Neue Zimmer,
neue Bäder, mehr Versammlungsräume und eine riesige neue Dachterrasse
sind dazu gekommen.
Es gibt eine Bibliothek, eine Videothek,
zwei große Gärten und ein Terrarium. Bevor Latife in diesem Sommer
nach Deutschland kam, war gerade der Rohbau für einen neuen Trakt mit
Küche und Speisesaal fertiggeworden. Er wurde dringend gebraucht, denn
das Interesse am Dar Es Salam war in den vergangenen Jahren gewachsen.
Rund 4.000 Menschen haben das deutsch-libanesische Begegnungszentrum
in Wardaniye mittlerweile besucht: Eine beachtliche Bilanz, vor allem
wenn man bedenkt, dass die meisten Reisen ohne Reisebüro in Eigeninitiative
organisiert werden.
Said Arnaout:
Das war und da ist noch eine Hoffnung,
das war auch ein Traum, ein schöner Traum, der auch viele Früchte
gegeben hat, durch diese Reisen sind auch verschiedene Aktivitäten
entstanden, in Deutschland ist dadurch ein Verein entstanden, der sich
um die Flüchtlingskinder im Libanon kümmert. Felicia Langer ist die
Schirmherrin. Und ich rede hier nur von Deutschland. Gäste aus der
Schweiz kommen an zweiter Stelle, dann Belgien, Österreich, und Schweden.
AUTORIN
Durchschnittlich 400 Besucher pro Jahr.
In diesem Jahr wird das "Haus des Friedens" diese Zahl ganz sicher
nicht erreichen: sämtliche Studienreisen bis Ende des Jahres mussten
wegen der aktuellen Ereignisse abgesagt werden.
Zur Zeit ist völlig offen, wann die
Flüchtlinge, die im Dar Es-Salam untergekommen sind, wieder in ihre
Häuser zurückkönnen. Said geht mit der Situation erstaunlich gelassen
um.
Said Arnaout:
Wenn man sozial engagiert ist, und wenn
man in dem Land so ein Projekt aufbaut, dann muss man bei solche Notsituationen
Solidarität zeigen, man kann das nicht sagen, nein das Haus muss halt
leer bleiben, das sind auch Menschen auf der Flucht, und die brauchen
eine Herberge. Und das ist nicht die erste Situation in dem Haus.
1996 gab es im April eine israelische
Invasion, damals sind auch 350.000 Menschen vom Süden geflohen. Damals
haben wir 40 Personen aufgenommen, und nach zwei Wochen konnten sie
das Haus verlassen und wieder zurückkehren.
AUTORIN
Einen neuen Bürgerkrieg fürchtet Said
nicht. Dafür hätten die Libanesen einfach nicht mehr die Kraft. Er
geht davon aus, dass seine Landsleute nach der Zerstörung wie immer
die Ärmel hochkrempeln und mit dem Wiederaufbau beginnen werden. Latifa
wagt noch nicht an einen Neuanfang zu denken. Sie weiß nicht, wann
sie nach Hause zurückkehren wird, und fürchtet, dass ihr Zwangsurlaub
in Deutschland noch lange dauern kann.
Latife Abdelaziz:
Hab ich auch eine Sorge, wenn ich zurückgehe,
diese Zerstörung, ob ich das ertragen kann, da kommt immer vor mein
Auge diese zerstörten Brücken. Wir haben nie gedacht, dass wird
wieder diese Zerstörung, diese hässliche zerstörte Gebäude wieder
sehen.
AUTORIN
Wenn sie die Bilder der Zerstörung im
Fernsehen nicht mehr aushält, schließt Latife die Augen und macht
in Gedanken einen Rundgang durch das Haus. Die zwei Dutzend Schildkröten,
die sie hinterm Haus untergebracht hatte, damit sie nicht von Autos
überfahren werden. Wahrscheinlich spielen jetzt die Kinder der Flüchtlinge
damit - hoffentlich behandeln sie sie gut. Rotleuchtende Granatapfelbäume
im Garten, vor dem blendenden Weiß der Fassade. Violette Bougainvillea
auf der Terrasse zum Berg hin.
Frühmorgens der Duft von Jasmin und
arabischem Kaffee. In der Ferne das unendliche Blau des Mittelmeers.
Latife hofft, dass der Krieg wenigstens dieses Refugium verschonen wird.
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Mai 2006: Die Zeit ist reif, um zu tun, was richtig ist
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Weltrat der Kirchen; (dt. Ellen Rohlfs)
Der Weltrat der Kirchen (WCC) , Mai 2006
Der WCC ist ein Zusammenschluss von 347 Kirchen aller Denominationen in mehr als 120 Ländern aller Kontinente .
Statement des Exekutive-Komitee zu Israel-Palästina
Die Zeit ist reif, um zu tun, was richtig ist.
Nachdem die verantwortlichen Mächte und Regierungen wenig Aussicht auf eine lebensfähige Zukunft für Israelis und Palästinenser liefern, rund um die Welt die Sorge über den Lauf der Geschehnisse dieses Konfliktes wächst - trotz verschiedener Friedenspläne und zahlreicher unerfüllter UN-Resolutionen - kommt das Exekutivkomitee des Weltrates der Kirchen, dass sich vom 16.-19. Mai 2006 in Genf traf, zu einem nüchternen Beschluss:
Der Frieden muss bald kommen oder er wird lange Zeit für keines der beiden Völker kommen.
Die Nichtbefolgung des Völkerrechts und die daraus folgenden Konsequenzen haben die Situation vor Ort an einen Punkt gebracht, wo es kein Zurück mehr gibt. Die Ungleichheit ist erschreckend. Die eine Seite bringt sich selbst in die Position, einseitig die endgültigen Grenzen auf einem Gebiet festzulegen, das der anderen Seite gehört. Diese andere Seite wird zunehmend auf die zerstreuten Enklaven eingegrenzt, die übrig bleiben. Die eine Seite kontrolliert immer mehr das Land und das Wasser - auf der andern Seite werden immer mehr Familien ihres Landes und ihres Lebensunterhaltes beraubt. Von der einen Seite werden so viel wie möglich an Menschen auf besetztem Gebiet angesiedelt - auf der andern Seite steigt die Zahl der Flüchtlinge ohne Haus und Land. Die eine Seite kontrolliert Jerusalem, eine Stadt, die von zwei Völkern und drei Religionen geteilt wird - und die andere Seite, Muslime und Christen, beobachten, wie ihre demographische, kommerzielle und religiöse Präsenz in Jerusalem schwindet. Von beiden Seiten schlagen militärische Kräfte oder bewaffnete Gruppen über die Grenze von 1967 und töten unschuldige Zivilisten. Auf beiden Seiten ermutigen die Behörden solche Attacken.
Schließlich wird die Seite, die sich daran machte, ihre ungesetzlichen Vorteile zu halten, von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Die andere Seite, die verzweifelt über diese ungesetzlichen Vorteile, (Korruption) ist, wandte legitime Wahlen an, um neue Führer zu wählen. Sie wird nun dafür isoliert und ( kollektiv) bestraft.
Alle Parteien dieses Konfliktes und die damit verwickelten ausländischen Mächte sehen sich einer wegen dieses Konfliktes gefährlich geteilten Welt gegenüber - einer Welt, die zunehmend davon überzeugt ist, dass das Ziel des Friedens für alle von der einen Seite für Vorteile weggehandelt wurde.
In diesem kritischen Augenblick könnte der Beitrag der Kirchen der sein, vom ethischen Standpunkt aus zu sprechen. Die oben genannten und ähnliche Aktionen können weder moralisch, rechtlich noch politisch gerechtfertigt werden.
Im langen Bürgerrechtskampf der USA schrieb Dr. Martin Luther King:
"Zeit kann zerstörerisch oder aufbauend benützt werden. Immer mehr fühle ich, dass die Leute mit bösem Willen die Zeit effektiver genützt haben als die Leute mit gutem Willen. Wir werden in dieser Generation nicht nur die hasserfüllten Worte und Aktionen der bösen Leute zu bereuen haben, sondern auch das erschreckende Schweigen der Guten. Wir müssen die Zeit kreativ nutzen - mit dem Wissen, dass die Zeit immer dazu reif ist, das Richtige zu tun".
(Brief aus dem Gefängnis in Birmingham, 1965)
Dieselbe harte Diagnose gilt auch dem Kampf für einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Straflosigkeit gegenüber dem Völkerrecht, gegenüber der Charta der UN, gegenüber den UN-Sicherheitsresolutionen und dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag haben seit langem die Aktionen vor Ort charakterisiert. Nun wird dasselbe Phänomen gegenüber diesem Konflikt auch in der internationalen Politik deutlich. Rechtsnormen, die so schwer auf der territorialen Integrität dieses Konfliktes lasten, die friedliche Lösung des Konfliktes, das Recht der Selbstbestimmung und das Recht der Selbstverteidigung u.a. sind weitgehend ignoriert worden.
Aufrufe zur Erfüllung dieser Normen liegen seit sechs Jahrzehnten Kirchenpolitik gegenüber diesem Konflikt vor: WCC-Statements zur Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten und Israels Annexion von palästinensischem Land (2004). Die ökumenische Antwort auf den israelisch-palästinensischen Konflikt (2002 und 2001); Verhandlungen über den Endstatus von Jerusalem (2000); Der Status von Jerusalem ( 1998) ; Der Nahe Osten ( 1993, 1983, 1974, 1996 und 1967) Jerusalem ( 1980, 1975 und 1974); Das Entstehen Israels als Staat ( 1948) ; ein Thema fehlt noch: Was wir für beide Völker, das palästinensische und das jüdische Volk wünschen, ist gleiche Gerechtigkeit ( WCC Exekutiv Komitee, Bad Saarow, 1974) - aber das Völkerrecht hat sich nicht überzeugend genug um das kollektiv Gute bemüht.
Vor kurzem hat der WCC das Nahost-Quartett aufgefordert, der neuen palästinensischen Behörde (Hamas) Zeit zu geben, um ihre Politik zu entwickeln und darzustellen. Der WCC rief auch die Mitglieder des Quartetts dazu auf, sich unparteiisch mit dem Konflikt zu befassen und die entschlossene und objektive 3.Partei zu sein, die notwendig ist, um die israelische Regierung und die palästinensische Behörde zu Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe zu bringen.
Die Anerkennung für bestehende Abkommen wird von beiden Seiten gefordert.. Demokratie muss geschützt werden, wo sie beginnt, Wurzeln zu fassen. Normale bilaterale Beziehungen müssen für Israelis als auch für Palästinenser den Vorrang vor der Gewalt haben.
Die doppelte Moral zu beenden, ist eine Voraussetzung für Frieden. Die augenblickliche Sackgasse muss überwunden werden. Alle Parteien müssen die Notwendigkeit und den Nutzen für die Menschen sehen, indem augenblickliche politische Entscheidungen mit langjährigen rechtlichen und unleugbar moralischen Verpflichtungen wieder auf eine Linie gebracht werden. Die kostbare, lebensrettende Gelegenheit ist jetzt.
Das Exekutivkomitee des Weltrats der Kirchen, das sich in Bossey, Schweiz vom 16.-19. Mai 2006 traf,
drängt die internationale Gemeinschaft, den Kontakt mit den rechtlich gewählten Führern des palästinensischen Volkes aufzunehmen, sich für eine Lösung der Differenzen einzusetzen und sie nicht zu isolieren und so das Leiden ihres Volkes zu verschlimmern.
ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, zweiseitige Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe zu unterstützen, als Weg zu gegenseitiger Anerkennung zwischen Israel und Palästina und zur Beseitigung anderer strittiger Hindernisse zum Frieden, wie sie in der Reihe von UN-Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Vollversammlung festgelegt sind.
empfiehlt, dass im Interesse gleicher Behandlung - als neue Grundlage für den Frieden - beide Parteien mit gleichem Maßstab gemessen werden, um Gewaltaktionen zu beenden, ihre bestehenden Abkommen gegenseitig zur Kenntnis zu nehmen und die Existenz des anderen in den Grenzen von 1967 anzuerkennen
besteht darauf, dass alle Vertragsparteien der Vierten Genfer Konvention ( einschließlich Israels, der USA, der EU, Russlands und der Schweiz) das Wohlbefinden der besetzten Bevölkerung sichern. Dringende Aktionen schließen die Beendigung der Strafmaßnahmen ein, die dem palästinensischen Volk durch Verletzung der 4.Genfer Konvention auferlegt wurden, auch das Verbot der kollektiven Strafe, einschließlich der Reisebeschränkungen, die nach den demokratischen Wahlen vor kurzem eingeführt wurden. Er fordert die Besatzungsmacht auf, ihre Verantwortung für das Wohlbefinden der Bevölkerung in allen von ihr kontrollierten Gebieten, einschließlich des Gazastreifens, wahrzunehmen.
erinnert die UN und seine Mitgliederstaaten an die UN-Verantwortung, Jerusalem zu einer offenen und inklusiven Stadt für beide Völker und alle drei Religionen zu machen, mit geteilter Herrschaft und Staatsangehörigkeit.
ermutigt die Regierung von Israel, seine Sicherheit auf Frieden mit all seinen Nachbarn zu gründen, einschließlich gerechter Verhandlungen über endgültige Grenzen mit diesen Nachbarn d.h. eine einseitige Festlegung von Grenzen zu diesen Nachbarn auszuschließen.
ermutigt die palästinensische Behörde, alle Parteien des politischen Spektrums in den Prozess der Demokratisierung und der gewaltfreien Konfliktlösung einzuschließen, die demokratischen Rechte ihres Volkes vor externem Druck als legitime Rechte unter internationalem Recht zu schützen, die bestehende Waffenruhe der einen Partei gegenüber Israel auf alle Parteien auszudehnen und zu demonstrieren, dass alle Formen von Gewalt und Angriffen jenseits der 1967-Grenze gegen unschuldige Zivilisten auf jeder Seite gestoppt werden müssen.
ruft alle Mitgliedskirchen und den WCC dazu auf, mit den Völkern auf beiden Seiten des Konfliktes solidarisch und Zeugen für den Frieden zu sein:
Befürwortet die oben angedeuteten Maßnahmen, indem ihr die Sorge der weltweiten Kirche über den israelisch-palästinensischen Konflikt, die Konsequenzen des Konfliktes auf andere Regionen und die immer dringendere Notwendigkeit von abhelfenden Aktionen durch die verantwortlichen Behörden reflektiert; auch die Anwendung legitimer Formen des Druckes auf Israel, um einen gerechten Frieden zu erlangen und die unrechtmäßigen Aktivitäten von Israelis und Palästinensern zu beenden.
Findet konstruktive Wege aus den erfahrenen Bedrohungen des jüdischen Volkes, einschließlich des Wesens, der Verbreitung und der Folge von Rassismus im lokalen, nationalen und internationalen Kontext.
Beachtet Hilferufe aus den Kirchen Jerusalems in dieser Zeit schwerer Prüfungen, steht ihnen in ihrem Dienst in der Gesellschaft bei, unterstützt die kirchlichen Hilfswerke der Kirchen im Nahen Osten, gibt Kirchen anderswo Berichte über den Konflikt, die Region und den Weg des Friedens;
betet für den Frieden.
Schickt Kirchenmitglieder nach Israel und Palästina als Teil der ökumenischen Begleiter-Programme in Palästina und Israel bis die Besatzung endet.
Engagiert euch im Dialog mit Kirchen, die Verbindung zu den Ereignissen im Nahen Osten haben. Solch ein Dialog würde konkrete politische Perspektiven über Gerechtigkeit legitimieren und konkretisieren und den Einfluss solcher Verbindungen auf die Präsenz und das Zeugnis der christlichen Kirchen der Region mit einschließen, auch Diskussionen über das Wesen des christlichen Zeugnisses für Frieden im Nahen Osten.
Wirkt dahin, dass die Sicherheit für alle Völker in der Region vergrößert wird in Übereinstimmung mit der WCC Neunten Versammlungsminute (?), indem man die entsprechenden Regierungen dahin drängt, die Errichtung einer nuklearwaffenfreien Zone im Nahen Osten, einschließlich Israels und des Irans zu unterstützen.
(dt. Ellen Rohlfs)
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1. Mai 2006: Wir gedenken - aber anders
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von Akiva Eldar; Ha'aretz (dt. Ellen Rohlfs)
Vor dem Gedenktag ( für alle Gefallenen und Getöteten Israels) erhielt die Familie Elhanan, die bei einem Selbstmordattentat in Jerusalem eine Tochter verloren hat, ein eingerahmtes Reliefbild mit einer Inschrift ( Ich habe kein anderes Land) . Dieses Bild ging mit einem Brief des Interim-Ministerpräsidenten Ehud Olmert und stellvertretenden Minister für Arbeit und soziale Angelegenheiten Avraham Ravitz an alle Familien, die Opfer von Terrorangriffen geworden waren.
"Wir werden nicht ruhen und wir werden nicht kapitulieren. Wir werden weiterkämpfen und in jeder Weise für unser Recht weiterarbeiten, den Staat Israel zu erhalten. Die Sicherheitskräfte und die Regierung Israels werden alles in ihren Kräften Mögliche tun, um einen weiteren Angriff und weitere Todesfälle zu verhindern." Stand in diesem Brief.
"Wirklich?" fragte Dr. Nurit Elhanan den Ministerpräsidenten.
"In letzter Zeit habe ich gesehen, wie Sie arbeiten," schrieb sie an Olmert. "Vor zwei Wochen war ich bei einer Eröffnungsfeier einer neuen Bewegung, die sich Kämpfer für den Frieden nennen. Es sind Israelis und Palästinenser, die sich zusammen geschlossen haben, um eine gewaltfreie Bewegung zu bilden, die gegen die Besatzung und Unterdrückung ist.
"Die Feier fand in einem Schulhof in Anata statt, der von dem Zaun der Unterdrückung und Besatzung geteilt wird, der nichts als Hass sät und zur Rache ermutigt. Während des Mauerbaus wurden Tränengaskanister in das Schulgebäude geworfen. Aber die Kinder gaben nicht nach. Sie ließen sich nicht vom Spielen auf dem Schulhof vertreiben.
"Eine Woche zuvor besuchte ich mit anderen "Trauernden Eltern für Frieden" Hebron und wir sahen dort Baruch Marzels wohl behütete Kinder, wie sie Steine in Häuser von Palästinensern warfen; ich sah, wie Soldaten mit ihren Gewehren palästinensische Kinder bedrohten, die uns ein Glas Wasser brachten und die gerne ein bisschen draußen spielen wollten, weil sie sonst in ihren Häusern wie in Gefängnissen eingesperrt sind. Marzel riet den Soldaten, auf uns zu schießen, weil wir Linke seien. Seine Frau verfluchte uns, während ihre Kinder uns mit Steinen bewarfen . Und das geschah alles vor den wachsamen Augen der Wachposten der IDF-Soldaten," schrieb sie.
"Am Gedenktag neigt die jüdische Nation ihren Kopf in Erinnerung der Gemordeten," endete Olmert seinen Brief.
"Auch ich neige meinen Kopf," erwiderte Nurit Elhanan, "im Gedenken an die palästinensischen Kinder, die jeden Tag getötet werden, um "Vorschriften einzuhalten", im Gedenken an israelische Opfer, deren Tod durch Selbstmordanschläge von Kindern verursacht wurde, die durch Besatzung und Unterdrückung verzweifelt waren; im Gedenken an die Kinder, die Angst haben, zur Schule zu gehen, aus Furcht vor den Marzelkindern und dieser Bande; auch im Gedenken an die palästinensischen Mütter, die weiter ihre Familien unterstützen auch ohne Vater und Ehemann ( weil sie im Gefängnis sind- ER); im Gedenken an die Kämpfer für den Frieden, die nach langem Leiden in Gefängnissen die Stärke und den Mut finden, eine Friedensbewegung zu gründen."
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17. Januar 2006: Vom Mythos Sharon
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Sedunia - Initiative für internationale Politik
Mythos (gr.-lat.) u. Mythus der;-, ...then: Person, Sache, Begebenheit,
die (aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus)
glorifiziert wird, legendären
Charakter hat.
Mit der Gründung des Staates Israel entstand eine große Anzahl von
Mythen, wie zum Bespiel "das Land ohne Volk" oder die "Unbesiegbarkeit
der israelischen Armee". Der Staat Israel benötigte diese Sagen für
seine Legitimation und betrieb diese Arbeit bis zur Perfektion. Somit
bekam auch jeder der israelischen Führer "seine Geschichte", die immer
nur ein Stück weit der Wahrheit entsprach. Das westliche Ausland hatte
bisher nur die Rolle zu übernehmen, diese Mythen weiterzugeben.
So ist der israelische Premier Ariel Sharon noch nicht einmal tot, und
schon werden seine Taten und Wandlungen wie üblich derart bereinigt
dargestellt, dass wir uns wenn wir der Wahrheit verpflichtet sind,
fragen müssen, wer dieser Mann war und was er, wenn es etwas besonderes
war, geschaffen hat.
Ariel Sharon stammt aus einer weißrussischen Familie deutschen
Ursprungs, die den Namen Scheinermann trug. Also ist selbst sein Name
eine Fälschung. Weit vor dem Holocaust siedelte diese Familie in der
ersten "rein jüdischen Stadt", Tel Aviv. Die palästinensische Stadt
Jaffa ist heute nur noch ein Vorort des ehemaligen Vorpostens der
zionistischen Kolonisation. Ariel ist nicht nur von seinem äußeren
Erscheinungsbild europäisch, blond und hellhäutig, sondern auch von
seiner inneren Einstellung und Geisteshaltung. Denn seine ersten
militärischen Erfahrungen sammelte er in der Terrororganisation Haganah,
die vornehmlich die Palästinenserinnen und Palästinenser mit Gewalt und
Terror versuchte zur Flucht zu treiben. Er war ein typischer Europäer
seiner Zeit. Er war beseelt von der zionistischen Mission das arabische
Leben in Palästina auszulöschen. Diese blutige Spur zog sich durch sein
ganzes Leben, von den Eroberungskriegen 1948 und 1967, über die
grauenvollen Massaker 1982 in Sabra und Shatila, bis hin zur dem
Massaker von Dschenin, den Liquidierungen zahlreicher Vertreter der
palästinensischen Widerstandskräfte und der Tötung der palästinensischen
Persönlichkeiten Scheich Ahmed Yassin und Dr. Abdel Aziz Rantisi. Oder
wie Uri Avnery über Sharon meinte:" Seinem Konzept lag ein primitiver
Nationalismus des 19. Jahrhunderts zugrunde, der besagt: unser Volk
steht über allen anderen - andere Völker sind minderwertig. Die Rechte
unseres Volkes sind heilig - andere Nationen haben überhaupt keine
Rechte." Dabei überschritt Sharon immer die ihm gegebenen Kompetenzen
und hatte kaum ein Empfinden für Verhältnismäßigkeit, doch dies ist die
Regel oder der notwendige Zustand einer Besatzungsarmee, wie es die
israelische ist. Obwohl die Besatzer wissen, dass sie das
palästinensische Volk nicht auslöschen können, verlangen sie es immer
wieder.
Die israelische Armee schießt nicht nur auf Kinder, sondern sie
durchsiebt sie, bis das Magazin der Waffe leer ist. Und das war Sharons
Geist. Doch dieser koloniale Geist wird abseits aller militärischen
Offensiven immer wieder auch gezwungen politisch zu denken. Dies mussten
die zionistischen Begründer Israels, dies musste Yitzak Rabin und dies
musste auch zeit seines Lebens Ariel Sharon.
Er wusste, dass er immer ein fremder Europäer war und musste demnach,
wie es die westlichen Medien nennen, pragmatisch handeln. Die Europäer
und vor allem die Amerikaner reden ständig von der Wandlung des "Falken
zur Taube", sie sprechen über den Bulldozer der in seinen alten Tagen
noch ruhiger wird, und sogar ein Mann des Friedens sei (G.W.Bush). Es
war aber weniger eine Wandlung die Rabin oder Sharon durchmachten, als
die Flexibilität postkolonialer Eroberungspolitik.
Dies ist ohne Polemik eine herausragende Leistung dieser Ideologie und
ihrer Führer, denn sie müssen ständig ihren eigentlichen Wunsch nach der
totalen Vernichtung des palästinensischen Volkes an die Realität
anpassen und dabei erkennen, dass sie nicht funktioniert.
Diese Erkenntnis ist dann auch die Ursache warum solche Personen wie
Rabin oder Sharon auf diese Art sterben müssen. Diese Realität zerreißt
förmlich den faschistischen Krieger, der das Siegen so gewohnt ist. Der
frühere Terrorist Rabin wurde von seinen eigenen Leuten zerrissen, und
Sharon bekam laut einem US Prediger die Strafe Gottes mit einem
Schlaganfall zu spüren. Es war weniger die Strafe Gottes, denn wie hoch
oder welche Art von Strafe gibt es für tausendfachen Massenmord, als
eher der innere Widerspruch des Zionismus, der ihn zu Fall brachte.
Der Rückzug aus dem Gazastreifen war eine politische Entscheidung
aufgrund der militärischen Sackgasse in der sich Israel befand. Es
konnte die palästinensischen Widerstandskräfte mit der herkömmlichen
Kriegsführung nicht besiegen. Die Variante der Massaker, wie in
Dschenin, erkannten die israelischen Verantwortlichen als erstens zu
Verlustreich und zweitens auf Dauer negativ für die weitere Okkupation
des Westjordanlandes. Diesen notwendigen Schritt realisierte Sharon und
hinterließ dem Staat Israel ein folgenschweres Erbe. Es wird niemals ein
Großisrael geben. Sharon war nicht eingekeilt zwischen den israelischen
Befürwortern eines palästinensischen Staates und den Zionisten die
niemals Land aufgeben werden, sondern zwischen pragmatischen Zionisten
und einer kleinen Elite von europäisch und US-stämmigen Faschisten. Das
ist die derzeitige Situation in der israelischen Gesellschaft. Die
wirklichen Leute des Friedens gibt es fast nicht, bzw. sie sind in der
Politik nicht hörbar repräsentiert. Es wäre ungerecht sie als nicht
existent zu bezeichnen, denn Personen wie Uri Avneri sind das lebende
Beispiel der Wandlung vom zionistischen Terroristen zum Menschen des
Dialogs. Oder auch Mordechai Vanunu, der die volle Härte des Staates
spürt, und verdient für seinen Beitrag zum Frieden den größten Respekt.
Doch diese wirklichen Menschen des Friedens werden in Israel
mundtot gemacht oder unter Hausarrest gestellt und in Europa mit dem
alten, aber bewährten Mittel des Antisemitismusvorwurfs diffamiert,
während Mörder wie Sharon zur "Friedenshoffnung" verklärt werden, und
wie im Falle des Parteispendenskandals über österreichische Konten sogar
finanziert werden. Mit dieser Generation von zionistischen Politikern
ist kein Wandel für Israel in Sicht. Die palästinensischen
Organisationen sind bereit für den Dialog, obwohl sie ausgehungert
werden sollen, und permanent bombardiert werden. Doch die Partner zur
Verhandlung für einen Frieden fehlen auf israelischer Seite. Israel
lehnt jeden Vertrag ab, selbst solche für Palästina ungerechten Lösungen
wie den Vertrag von Oslo. Die Roadmap ist nur ein Blatt Papier, damit
die europäische Seite die Möglichkeit bekommt, auf etwas hinzuweisen.
Für Israel hat es keinen Wert. Doch die Mythen der israelischen
Gesellschaft scheinen wichtiger zu sein als ein Leben in Frieden.
Es lebe die Würde und der Widerstand des palästinensischen Volks!
Die Gefallenen von Deir Yassin, Sabra und Schatila sind nicht vergessen!
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8. Januar 2006
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Napoleon, "Made in Israel"
Uri Avnery
Was geschah, ähnelt einem zentralen Motiv der jüdischen Mythen: das Schicksal des Moses, den Gott für seinen Stolz strafte, indem er ihm noch erlaubte, von weitem einen Blick auf das Gelobte Land zu werfen, ihn aber sterben ließ, bevor er einen Fuß auf seinen Boden setzen konnte. An der Schwelle zur absoluten Macht bekommt Ariel Sharon einen Schlaganfall.
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6. Januar 2006
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Ariel Sharon
Robert Fisk
Israel's Prime Minister was a ruthless military commander responsible for one of the most shocking war crimes of the 20th century, argues Robert Fisk. President George Bush acclaims Ariel Sharon as 'a man of peace', yet the blood that was shed at Sabra and Chatila remains a stain on the conscience of the Zionist nation. As Sharon lies stricken in his hospital bed, his political career over, how will history judge him?
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5. Januar 2006: Israel ohne Mythos
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T. Segev rüttelt an dem Mythos, daß der Zionismus Gerechtigkeit personifiziert.
Israel ohne Mythos
Tom Segev analysiert die Ursprünge des Israel-Palästina-Konflikts
Seit fast 100 Jahren ist Jerusalem Brennpunkt eines Konfliktes zwischen
Israelis und Palästinensern. Bis heute gibt es keine Lösung. Stärkstes
Symbol für den Konflikt ist die israelische Sicherheitsmauer, an der seit
2002 gebaut wird. Tom Segev analysiert in seinem Buch "Es war einmal ein
Palästina" die Ursprünge des Israel-Palästina-Konflikts.
"Welches Land mauert sich ein?" fragt Tom Segev. "Das ganze Land ist ein
riesiges Ghetto geworden dadurch, dass wir hinter einer Betonmauer leben
müssen." Die Mauer ist das letzte Mittel im Jahrzehnte langen Konflikt, der
die Menschen herausfordert. Will man ihn begreifen, muss man sehr weit
zurückblicken. In die Vorgeschichte des Landes, an die sich heute nur noch
wenige erinnern: als alles begonnen hat, noch vor der Staatsgründung Israels
1948.
Mit den Mythen aufräumen
Tom Segev, renommierter Historiker und Publizist aus Israel, hat diese
Anfangszeit genau untersucht. Er ist der Sohn deutscher Juden, die vor den
Nationalsozialisten nach Palästina fliehen mussten. Segev hat den Ruf, mit
den Legenden und Mythen seines Landes aufzuräumen. In seinem jüngsten Buch
"Es war einmal ein Palästina" kommt er zu einer neuen Erkenntnis. Er räumt
mit dem Heldenmythos der Israelis auf.
"Wir sind alle aufgewachsen in Israel unter dem Glauben, dass Israel aus
einem heroischem Kampf gegen die Engländer geboren wurde", erklärt er. "Es
gab eine Zeit, in der man die Engländer mit den Nazis verglichen hat. Es
gibt sogar einen hebräischen Ausspruch, der die Nazis und Engländer in ein
Wort verwandelt: die Ha'anglonazim, sagte man. Es stellt sich heraus, dass
Israel eigentlich seine Existenz den Engländern schuldet."
Briten schlagen arabische Aufstände nieder Für Segev ist 1917 das eigentliche Geburtsjahr Israels. Durch das Jaffa-Tor
marschierten die Briten in Jerusalem ein, als Befreier Palästinas von den
Türken. Mit der so genannten Balfour-Deklaration versprachen die Briten der
zionistischen Bewegung Unterstützung bei der Errichtung einer "nationalen
Heimstätte für die Juden". Und zwar in Palästina. Die massive Einwanderung
von Juden beginnt. Hunderte von Siedlungen und Städten werden errichtet.
Unter dem Schutz der britischen Mandatsmacht wird bis Ende der 30er Jahre
der künftige jüdische Staat aufgebaut - auf Kosten der arabischen
Bevölkerung. "Die Engländer haben bewusst die arabische Bevölkerung
unterentwickelt gelassen, weil sie Angst hatten, dass sie zu stark werden",
sagt Segev. Und zwar aus Angst vor den arabischen Nationalisten. Gewalt und
Terror waren die zwangsläufige Reaktion auf den Zionismus.
Die landesweiten Aufstände Ende der 30er Jahre schlugen die Briten nieder:
In der Altstadt Jaffas wurden Häuser gesprengt.
Zionistische Bewegung wird unterstützt
Der erste blutige Zusammenstoß hatte an der Klagemauer begonnen. Entgegen
dem strategischen Rat ihres Militärs aber pushten die politischen Führer des
mächtigen British Empire die zionistische Bewegung von Anfang an. Tom Segev
begründet diesen eigentlich irrationalen Weg der Briten: "Erstens hatten sie
den christlichen Glauben, dass die Juden zurück nach Palästina wollen.
Zweitens wollten sie die Juden weg haben aus Europa. Drittens glaubten sie,
dass die Juden eine ungeheure Macht haben und die Welt beherrschten, und
dass man sie deshalb unterstützen muss."
Bestes Beispiel ist Chaim Weizmann: Als junger Zionistenführer aus Russland
hatte er auf brillante Weise die im Grunde antisemitische Sichtweise der
Engländer für seinen Traum von Erez Israel, dem Land Israel, genutzt. "Sie
wollten ihn als König der Juden sehen", sagt Segev. "Sie hatten Angst vor
ihm.
Sie dachten, er ist machtvoll, er beherrscht die Welt - und er hat diese
Rolle gespielt. Er hat ihnen niemals gesagt, ich bin schwach, ich habe
überhaupt keine Macht, meine Bewegung existiert eigentlich gar nicht. Das
ganze Archiv der zionistischen Bewegung stand in einer Schuhschachtel unter
seinem Bett im Hotel."
Israel als Ergebnis der britischen Mandatszeit
Tom Segev schildert dicht und spannungsreich, wie Chaim Weizmann auch durch
seine Persönlichkeit die britische Regierung in den 20er und 30er Jahren auf
eine pro-zionistische Politik einschwor - und zwar mit Intelligenz und
Stärke.
Segev widerspricht damit dem gängigen Geschichtsbild: Nicht aus dem
jüdischen Widerstand entstand Israel, sondern es war Ergebnis der
Mandatszeit der Briten. Der Zionismus ist für Segev eine Erfolgsgeschichte.
Aber mit einer brutalen Kehrseite: der Tragödie der Palästinenser. Fast 100
Jahre Konflikt, gibt es eine Lösung? Tom Segev sieht eine erste Möglichkeit:
die Tragödien auf beiden Seiten anzuerkennen, den Feind zu verstehen. Doch
das Leid auch des Gegners anzuerkennen ist ein psychologisches Problem.
Auch für die Israelis: "Es rüttelt nicht nur am Mythos der Staatsgründung,
sondern es rüttelt vielleicht am wichtigsten Mythos, den der Zionismus
hatte: Nämlich, dass der Zionismus etwas Gerechtes vertritt", so Segev.
Für Segev brauchen die Palästinenser unbedingt ihren eigenen,
überlebensfähigen Staat. Das sagen auch viele andere Israelis. Doch bis
jetzt gibt es nur eine Mauer: für die Sicherheit, nicht für den Frieden.
BB
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11. November 2005
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Jeder sollte Israel kritisieren
Interview mit Gideon Levy (taz)
Mauern sich die Israelis damit nicht selbst ein?
Das stimmt vielleicht auf eine philosophische Art und Weise. Aber Israel befindet sich ohnehin in einer Art Ghetto, ob mit oder ohne Mauer. Solange die Besatzung andauert, wird es ein Ghetto sein. Schauen Sie, eine Mauer hat zwei Funktionen: Man fühlt sich dadurch sicherer, und vielleicht ist man das auch. Und zweitens: Man sieht den anderen nicht, wenn die Mauer nur hoch genug ist. Das ist der Trend in Israel: Nicht sehen wollen. Dieser Traum, die Palästinenser einfach nicht mehr zu sehen, als ob sie nicht existieren würden.
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4. August 2005
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Auf der Suche nach Palästina
Navid Kermani über seine letzte Reise nach Palästina (taz)
Das Leben in Israel gefiel mir so gut wie vor drei Jahren, aber ich konnte es nicht mehr genießen. Etwas in meiner Realität war eingebrochen wie eine Fassade aus Pappe. Etwas in mir sagte: Ihr seid schuld, jene sind die Opfer. Sie sind nicht bessere Menschen als ihr, aber die Besatzer seid ihr, nicht sie. Und ich glaube, im Nachhinein kann ich sagen, wann meine Wahrnehmung endgültig in die Einseitigkeit gekippt ist, nämlich am Checkpoint vor Gaza, als ich nach meinem Beruf gefragt worden bin. Da hätte ich dem Soldaten am liebsten ins Gesicht geschrien: Die Tiere seid ihr.
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Datum: 11.05.06
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